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Wilischthal in alten Ansichten und auf alten Postkarten

Das Jahr 1866 bringt wesentliche Veränderungen in den kleinen Ort Wilischthal am Zusammenfluss der kleinen Wilisch und der Zschopau im mittleren Erzgebirge. Nachdem eine Alternative über die nahe Industriestadt Thum verworfen worden ist, baut die sächsische Staatseisenbahn eine Eisenbahnlinie durch das Zschopautal von Flöha Richtung Annaberg und hinauf auf den Erzgebirgskamm bei Bärenstein. Die Linie soll über Komotau später Prag erreichen, was auch bald geschafft ist. Der Ort Wilischthal besitzt keinen Bahnhof, auch wenn in der Nähe bereits große Textilunternehmen sitzen. wenige Jahre später jedoch erreichen diese, dass im Bereich einer flachen Stelle an der Zschopau ein Bahnhof mit Güteranlagen errichtet wird. Der Gütertransport war überhaupt einziger Grund, diese Bahn zu bauen. Daher war es sinnvoll, überall dort, wo entsprechende Nachfrage entstand, Umlademöglichkeiten vorzusehen. So konnte die Eisenbahn rationell betrieben werden und Gewinne machen. Der Personenverkehr hingegen war schon immer ein Verlustgeschäft.

Wilischthal, 1874: Die vor acht Jahren eröffnete Bahn von Flöha nach Bärenstein bekommt einen weiteren Bahnhof: Wilischthal. Ein Empfangsgebäude und ein mächtiger Güterschuppen zeigen an, warum. Es wird ein großes Werk zur Drahtverarbeitung in Wilischthal gebaut, weitere Fabikationen liegen im nahen Tal der Wilisch Richtung Gelenau. Arbeiter und Rohstoffe müssen hin, Fertigprodukte und Arbeiter nach Feierabend müssen wieder weg. Das enge Tal der Zschopau war schon immer nur auf steilen Straßen zu erreichen. Die Eisenbahn versprach eine wesentliche Vereinfachung des Lebens. 1874 war eine Zeit des grenzenlosen Optimismus. Alles schien möglich, auch und vor allem weil viel Geld im Lande war (Reperationen nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71). Kredite waren damit billig und allentalben wurde Neues erfunden. Neben der Eisenbahn, deren Fahrzeuge immer kräftiger wurden und einer immer weiter steigenden Zahl von Güter- und Personenwagen wurde auch die Fotografie erfunden. Irgendwann zwischen 1874 und 1885 fanden beide erstmals in Wilischthal zueinander: Die erste, bekannte Aufnahme des Bahnhofs Wilischthal (Ausschnitt):

 

Wilischthal (Sachsen) 1883

Wilischthal um 1883. Blick von der Zschimmerhöhe (Ausschnitt)
Das Empfangsgebäude und ein Güterschuppen sind im Hintergrund zu sehen. Die Gebäude und die Gleise liegen auf einer Aufschüttung, die über eine neue Straßenbrücke erreichbar ist. Deutlich ist zu erkennen, dass das Gelände zum Fluss hin abfällt und weiteren Platz für Erweiterungen bietet. Ab September 1885 wird die Fläche aufgeschüttet und ein Schmalspurbahnhof für die Strecke nach Thum errichtet. Die Gebäude links im Vordergrund gehören zu den Wilischthaler Drahtwerken.

Alle folgenden Ansichten sind historischen Postkarten meiner Sammlung entnommen. Das Datieren der Ansichten ist nicht immer einfach. Während Poststempel und aufgeschriebene Daten einen Hinweis geben können, werden zuweilen Karten auch erst Jahre später verschickt. So liegt mir die gleiche Karte vom Bahnhof gestempelt 1914 und 1920 vor. Dennoch sind diese Daten ein starker Hinweis auf den Aufnahmezeitpunkt, da es früher nicht üblich war, gleiche Drucke mehrere Jahre lang zu verwenden. Die Angabe "datiert" meint, dass die Karte anhand eines aufgeschriebenen Datums dem jeweiligen jahr zugeordnet wurde. "gestempelt" steht für einen Poststempel des Jahres. "eingeordnet" wiederrum steht für eine ungelaufene Postkarte ohne Text, die anhand anderer Fotos von mir in das Jahr eingeordnet worden ist. Hier wurden neben den Veränderungen bei Gleisanlagen und Gebäuden vor allem die Höhe von signifikanten Bäumen ausgewertet. Die Postkarten mit Motiven der Bahnanlagen enden 1936. In dem Jahr haben die Nationalsozialisten, wahrscheinlich in Vorbereitung des Krieges, ein Fotografierverbot für strategisch wichtige Objekte verhängt. Dazu zählten neben den Bahnanlagen auch Brücken und Fabriken. Die Postkarten aus der Zeit danach sind geprägt von Gebäudeaufnahmen, so z.B. die Jagdschenke, späteres Ferienheim "Ernst Schneller" oder die Schule. Diese sind für Ortshistoriker sicher auch interessant, meine Sammlung weist da aber nur wenige Stücke auf, da diese sich auf die Bahnanlagen und Bahngebäude konzentriert.

Wilischthal 1902

 

Wilischthal (Sachsen) 1902

Wilischthal gestempelt 07.08.1902. Blick vom Affenstein.
Die noch neue Brücke der Schmalspurbahn nach Gelenau und Thum überquert im vordergrund die Zschopau. An dem Drahtwerk A.F. Matthes und den zu sehenden Gleisanlagen sind keine Veränderungen auszumachen. Der Güterschuppen, der 1883 noch im Hintergrund zu erkennen ist, musste den neuen Schmalspurbahnanlagen bereits 11 Jahre nach seiner Errichtung wieder weichen.

Wilischthal 1903

 

Wilischthal (Sachsen) 1903

Wilischthal gestempelt 31.07.1903. Blick vom Affenstein.
Solche nachcolorierten Aufnahmen waren Anfang vergangenen Jahrhunderts groß in Mode. Die Farbfotografie war zwar schon erfunden, aber die meisten Fotografen arbeiteten noch mit Trockengelantine-Platten. Um die Verkaufserlöse zu steigern, wurden diese dann im Atelier nachbearbeitet, wobei die fotografische Grundlage immer verfremdet und teilweise verfälscht wurde.
Diese Karte zeigt etwas mehr von dem Bahnhofsareal. Die Aufschüttung für den Schmalspurbahnhof reicht nun hart an die Zschopau heran. Vor dem Empfangsgebäude fächern sich die Schmalspurgleise auf. Hinter den Zweigen der rechten Tanne sind noch undeutlich weitere Anlagen zu erkennen.

Wilischtal 1904

 

Wilischthal (Sachsen) 1904

Wilischtal gestempelt 20.09.1904. Blick vom Affenstein.
Möglicherweise liegt der Colorierung die gleiche Aufnahme wie 1903 zugrunde. Aufgrund der anderen Farben entstehen jedoch andere Eindrücke. Ab 1904 wurde der Ort offiziell in "Wilischtal" umbenannt. Eine Vorwegnahme der Rechtschreibreform von 1910. Diese allerdings gestand nach Einspruch des Kaisers Ortsnamen wieder dass "h" zu, so dass ab 1910 der Ort wieder "Wilischthal" geschrieben wurde.

Wilischtal 1905

 

Wilischthal (Sachsen) 1905

Wilischtal gestempelt 12.06.1905. Blick vom Affenstein.
Während an den Gebäuden und Anlagen im Vordergrund keine Veränderung zu erkennen ist, wurde eine Straßenbrücke neu gebaut, die das Wilischtal an die Landstraße von Scharfenstein nach Zschopau anbindet. Diese ist im linken Bildhintergrund zu erkennen. Rechts neben der hier noch rot dargestellten Jagdschenke ist ein weiteres Gebäude entstanden (zu sehen rechts oberhalb der Zschopautal-Bahnstrecke).

Wilischtal 1908

 

Wilischthal (Sachsen) 1908

Wilischtal datiert 14.08.1908. Jagdschenke.
Das Gasthaus an der Landstrasse von Zschopau nach Scharfenstein (später als Jagdschenke bezeichnet). Das Gebäude ist nun verputzt.

 

Wilischthal (Sachsen) 1908

Wilischtal eingeordnet 1908. Blick von der Landstraße von Zschopau in Richtung Wilischtal.
Die Aufnahme zeigt die noch recht neue Brücke, die die Landstraße (links) mit dem Tal der Wilisch (rechts im Mittelgrund) verbindet. Auch die Einfahrt des Bahnhofes aus Richtung Zschopau mit dem neuen sächsischen doppelten Flügelsignal vor der Brücke ist zu sehen. Hinter der Jagdschenke sind weitere neue Gebäude entstanden.

Wilischtal 1909

 

Wilischthal (Sachsen) 1909

Wilischtal gestempelt 23.04.1909. Jagdschenke.
Aus dem Gasthaus an der Landstraße ist nun das "Kurhaus Jagdschenke" geworden.

Wilischtal 1910

 

Wilischthal (Sachsen) 1910

Wilischtal eingeordnet 1910. Blick von der Zschimmerhöhe.
Am linken Rand sind gut die bereits erwähnten weiteren Gebäude zu erkennen. Links im Vordergrund ist eine Villa entstanden, die möglicherweise zur Wilischthaler Drahtwarenfabrik gehörte.

 

Wilischthal (Sachsen) 1910

Wilischtal gestempelt 29.03.1910. Blick von der Zschimmerhöhe.
Es sind auffällig viele Güterwagen auf dem Bahnhof zu erkennen.

Wilischthal 1914

 

Wilischthal (Sachsen) 1914

Wilischthal gestempelt 12.09.1914 (und eine weitere Karte auch 1920). Empfangsgebäude des Bahnhofes.
Links von Bahnhof ist sehr schön das sog. Heizhaus zu sehen. In Sachsen bezeichnete man die Lokschuppen als Heizhäuser. Dieses eingleisige Heizhaus mit Wasserturm für Schmalspurlokomotiven wurde 1934 im Zuge eines Bahnhofsumbaus abgerissen. Rechts vom Empfangsgebäude ist der Abort zu sehen. Am Empfangsgebäude fällt die typische sächsiche Nasenuhr auf.

Wilischthal 1919

 

Wilischthal (Sachsen) 1919

Wilischthal gestempelt 19.05.1919. Blick von der Zschimmerhöhe.
Es sind keine Veränderungen an Anlagen und Gebäuden zu erkennen.

Wilischthal 1923

 

Wilischthal (Sachsen) 1923

Wilischthal gestempelt 14.07.1923. Blick vom Affenstein
Es sind keine Veränderungen an Anlagen und Gebäuden zu erkennen. Die Karte wurde während der Inflation geschrieben. Dem Absender waren ein paar liebe Worte an die Familie immerhin 120 Reichsmark wert.

Wilischthal 1930

 

Wilischthal (Sachsen) 1930

Wilischthal eingeordnet 1930. Blick vom Affenstein
Die Zeit der zwanziger Jahre war von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Stagnation geprägt. Dennoch erhielt die Wilischthaler Drahtwarenfabrik ein neues Kesselhaus mit neuem, höheren Kamin (Schornstein). Auch einige neue Gebäude sind dort zu erkennen. Um 1930 ging es wohl wieder aufwärts.

Wilischthal 1934

 

Wilischthal (Sachsen) 1934

Wilischthal eingeordnet 1934. Blick vom Affenstein
Der Aufschwung wurde deutlich. Ein Umbau des Bahnhofes steht an. Rechts von der Strecke Richtung Zschopau ist für den Bau eines weiteren Gleises und der Verlängerung der Bahnhofsgleise umfangreich Gelände frei geräumt worden.

 

Wilischthal (Sachsen) 1934

Wilischthal datiert 1934. Jagdschenke
Neben der Jagdschenke sind Gebäude der Drahtwarenfabrik zu erkennen.

Wilischthal 1936

 

Wilischthal (Sachsen) 1936

Wilischthal gestempelt 1936. Blick vom Affenstein
Die neuen Bahnhofsgleise sind fertig. Nun können deutlich längere Züge in Wilischthal halten. Das Heizhaus ist in gleichem Zuge verschwunden und einer weiteren Rollwagenanlage zur Umsetzung von regelspurigen Güterwagen auf schmalspurige Rollwagen gewichen. Bis 1975 bestanden zwei dieser Umsetzanlagen in Wilischthal. Beim Umbau des Bahnhofes ist an der Ausfahrt Richtung Zschopau unterhalb der Jagdschenke auch ein Kleinlokschuppen für eine Köf errichtet worden. Weitere, neue Gebäude entstanden (rechter Bildrand).

 

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© Hans J. Garvens